Mai 16

Hamburgs ohnehin schon reiche Slam-Szene hat einen interessanten Neuzugang zu verzeichnen. Traten bisher bereits Poeten, Filmemacher und Singer/Songwriter zum Schlagabtausch auf den Bühnen der Stadt an, so sind es nun Akedemiker mit ihren Thesen und Dissertationen.

Die Idee dazu stammt vom Haus der Wissenschaft in Braunschweig, dort geht der Science Slam nunmehr bereits in die vierte Runde. Ob das Konzept auch in der Hansestadt funktioniert? Ich machte den Selbsttest und besuchte die Premiere in der Pony Bar.

Die Location hat Tradition, hier wurde schliesslich mit “Slam the Pony” ein sehr erfolgreicher Poetry-Slam geboren der irgendwann wegen immer steigenden Besucherzahlen im Saal des Haus73 auf der Schanze ein neues Zuhause fand. Auch an diesem Freitag war die Bar wieder gut besucht, knapp eine halbe Stunde vor Beginn gab es am Ort des Slams bereits keine Sitzplätze mehr.

Routiniert übernahm Friederike Moldenhauer vom Machtclub des Mikrofon und moderierte souverän durch den Abend. Vier Kandiaten traten an, das Spektrum der Beiträge war dabei sehr weit gesteckt. In der ersten Präsentation dozierte ein Philosoph über die moralische Verwerflichkeit hoher Medikamentenpreise für die dritte Welt. Dazu liefen Powerpoint-Folien mit groben Pixelmustern über die Leinwand. Natürlich ging das Publikum zu solche schwieriger Thematik nicht vollkommen aus sich herraus, bedachte aber die sehr interessanten Ausführungen mit verdientem Beifall.

Der Sinn von Fischfangquoten wurde im zweiten Vortrag beleuchtet. Der Dozent hatte dazu passenden Sound mit Meeresrauschen und ruhigen Klängen parat und versuchte die Zusammenhänge anhand der fiktiven Geschichte eines Fischers deutlich zu machen, der immer größere Mengen fangen möchte um sich irgendwann eine luxuriöse Sauna kaufen zu können. Clevere Idee, nur leider durchbrach der Vortrag deutlich das gesteckte 10 Minuten-Limit, was beim Publikum zu einigem Murren führte.

Fast wäre auch ich an dieser Stelle schon gegangen, hätte dann aber den besten Teil des Abends verpasst. Denn der nächste Vortragende – ein Soziologe – verbreitete durch sein Thema und den flapsigen Vortragsstil mit einem Schlag gute Laune. Es ging um die gefühlte Beschleunigung der Zeit beim Bachelor-Studium. Lässt sich der subjektive Eindruck beweisen,  dass man quasi nur so durch das Studium rast? Seine These: Ja! :-)

Trotz Formeln und abstrakten Begriffen wie “Soziale Beschleunigung” ein super Vortrag der ganz viel Beifall erntete. Der letzte Vortragende war eine Show für sich. Bereits wärend der anderen Beiträge hatte er sich auf die Bühne geschlichen. Ich dachte zuerst, dass es sich um einen verirrten Penner handeln würde. Unrasiert, mit zotteligen Haaren, einem schäbigen Mantel, orange-farbener Krawatte, Rucksack und losem Gürtel  sah er nicht unbedingt wie ein Akademiker aus.

War er aber doch. Und zwar ein Jurist der gerade seine Dissertation zum Thema Legalisierung von Canabis schrieb. Zweifellos hatte er auch an diesem Abend schon die eine oder andere Tüte konsumiert. Völlig ohne Konzept stand er auf der Bühne, bewarf das Publikum mit einer Banane und anstatt etwas vorzutragen bepöbelte er das Publikum im einen Moment,  versuchte aber gleich im nächsten Moment Zigaretten zu schnorren. Eine tragische Gestalt. Ein paar Minuten lang war sogar die Moderatorin überfordert, dann war seine Zeit zum Glück abgelaufen und er stürmte von der Bühne.

Da Philosoph und Soziologe die gleiche Wertungspunktzahl erreichten, mussten sie sich noch einem 5-minütigem Stechen stellen und sich gegenseitig befragen. Ein klarer Sieger konnte durch die Stärke des nachfolgenden Beifalls nicht ermittelt werden und so gab es am Ende zwei erste Sieger.

Alles in allem eine sehr spezielle Slam-Premiere die man nicht so leicht vergessen wird.


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Ein Kommentar

  1. Malte schreibt:

    Dank sommer-in-hamburg.de überhaupt auf den Tipp gekommen!

    Der Jurist am Schluß hätte noch die Nummer des Abends werden können… ich habe ständig gedacht, dass “seine Show” irgendwann in einen genialen Beitrag münden würde. Pustekuchen.

    Der Vorwurf “Ich lasse mich nicht konsumieren” hingegen, hat mich aber nachdenklich gestimmt. Zumal ja offensichtlich nicht nur die Moderatorin sondern auch das zahlreiche Publikum überfordert war, das beständig von dem vermeindlichen Penner angesprochen wurde aber ihn nicht so richtig aus der Reserve locken konnte.
    Aber auch er war ein netter Zusatz zum Abend.

    In jedem Falle ein aubaufähiges Format!
    Ich bin gespannt.

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